Gedenktag

Sonntag 4. Mai 2014
Gedenktag
Letzten Dienstag 29. April war es ein Jahr her, seit unser Grossvater Max von uns gegangen ist. Beim Tod seiner Tochter Ursula, meiner Mutter, begingen wir diesen in katholischem Glauben, denn sie konvertierte einige Jahre vor dem Tod zu diesem Glauben.
Nun begingen wir diesen Tag der örtlichen Tradition zu Folge im gleichen buddhistischen Tempel, in dem Opa’s Körper kremiert wurde. Denn wir hatten damals bei Opa’s Abschied beschlossen, dass wir die Rituale der Bevölkerung hier mitmachen.
Hinweis: Einige der folgenden Foto’s wurden uns freundlicherweise von Allan zur Verfügung gestellt. Vielen Dank!

Das Bild Opa’s in der Zeremonie
Im Volksglauben hat dieser Tag eine grosse Bedeutung, wenn auch Buddha selber Rituale als einen Weg des Anhaftens in der materiellen Welt bezeichnete und daher als nicht förderlich bezeichnete. Einzig bei der Bestattung befürwortete er Rituale.
Doch hier ist es mit dem Glauben wie bei uns. Aus dem eigentlichen konsequenten Glauben wurde eine Volksvariante, die sich teilweise erheblich vom ursprünglichen Buddhismus unterscheidet. Das sieht man schon in dem Umstand, dass ein neues Auto oder Motorrad von Mönchen gesegnet wird, denn über einen solchen Aberglaubens in seinem Namen würde Buddha wohl den Kopf schütteln.

Ein Buddha in unserem Tempel

Der Tempel bei unserer Ankunft

Etwas näher gezoomt
Doch wir leben hier mit buddhistischen Menschen, die nie die Zeit gehabt haben, buddhistische Schriften zu studieren und die kurze Aufenthaltszeit der jungen Männer im Kloster mag das auch nicht auszugleichen.
Hier ist es den Leuten wichtig, den Tempel zu unterstützen, denn sie sind davon überzeugt, dass wenn sie den Mönchen Gaben darbringen, dass es gut für Ihre Karma ist. Das Karma ist dabei je nach Deutung so etwas wie ein Lebensbilanz der Taten in diesem Leben oder das Negativ-Konto, dass es abzubauen gilt.

Im Garten des Tempels

Auch hier etwas näher gezoomt

Das Dach des Hauptgebäudes
Und so findet selbst verständlicherweise das Gedenken an einen Verstorbenen im Tempel statt. Bei uns war dies der Tempel Klong Khanan, denn wir damals in der 79. Woche beschrieben hatten.
Ein nicht sehr spektakulärer buddhistischer Tempel, der keine Touristen anzieht und in der Nähe der Provinzhauptstadt Krabi mitten auf dem Land liegt. Notabene einer Gegend, die zu mehr als der Hälfte muslimisch geprägt ist. Dieses Mal waren 4 Mönche im Tempel, nicht so wie letztes Jahr, als bei den Ritualen vor der Kremation jeweils 2 Mönche aus einem anderen Tempel dazu geholt werden mussten. Denn für ein solches Ritual sind hier immer mindestens 4 Mönche notwendig.

Der leitende Mönch

Der älteste Mönch des Tempels vor seinem Zuhause
Vor einem Jahr starb nun also Opa im Alter von 96 Jahren auf einer Fähre von unserer Insel Koh SiBoya zum Festland. Er hatte noch ganz normal das Frühstück gegessen und dann um 13 Uhr über etwas Schmerzen geklagt. Wir waren an diesem Tag in Krabi, wo wir an zwei Tagen pro Woche die Sprache dieses Landes lernen.
So brachten sie Opa zur Fähre, wo Tiu und A ihn begleiteten, währenddessen wir in Krabi mit dem Spitalauto nach Laem Kruat, dem nächsten Ort am Festland starteten. Bis wir dann aber da ankamen, ist Opa friedlich, schon fast mit einem Lächeln auf den Lippen, eingeschlafen. Denn die Fahrt durch die wunderschöne Landschaft mit all den hier typischen Kalkstein-Bergen hatte ihm immer gut gefallen und das war das letzte, was er sah.
Nun also ein Jahr später leisteten wir sozusagen eine Fürbitte für ihn, denn die Buddhisten hier glauben, dass falls er an einen nicht so guten Ort nach seinem Tod gelangt wäre, dass ihm dieses Ritual hilft, an einen besseren Ort zu gelangen. Und wenn er bereits an einem guten Ort ist, soll er so an ein noch besseres Ort gelangen.

Eine Tafel, die ans bessere Ort leiten soll

Die Nonne in Trance, ein Ritual mit dem gleichen Zwecknd
Damals hatte die Abschiedsfeier im Tempel drei Tage gedauert – doch an diesem Jahrestag war es nicht mal ganz eine Stunde. Im Normalfall kommt dann die ganze Familie zusammen und kocht das Mittagessen für die Mönche. Zudem werden die Mönche mit allerlei Gaben wie ein Mönchstuch, spezielle Delikatessen, Alltags-Dinge und Tambun (ein finanzieller Beitrag an das Tempelleben) beehrt.

Bei der Übergabe des Mönchstuchs
In unserem Fall übertrugen wir das Kochen den Menschen, die für den Tempel an solchen Anlässen jeweils die Trauerfamilien unterstützen, diesmal waren es aber andere wie vor einem Jahr und biem 100-Tage Gedenktag.
Von SiBoya war eine erstaunlich grosse Gruppe an diesem Ritual dabei. Wieder unterstützte uns A in seiner wundervollen Weise und es war wieder erkennbar, wieso er früher einmal ein Jahr im Tempel war, denn er freute sich sehr, dass wir dieses Ritual pflegen. Zu unserem grossen Erstaunen nahm auch Chung sich die Zeit und nahm an dieser für ihn als wichtig bezeichneten Zeremonie teil.

A (links), Aw, unserer Fahrer und Chung
Wie auch letztes Jahr waren Flora und Allan, der bei der Abschiedsfeier ja sogar den Sarg von Opa getragen hatte, dabei. Dieses Mal fehlte Peter, der in Australien weilt, dafür hatten wir mit Billy einen kanadischen Vertreter dabei, der prompt von A auch aktiv in das Ritual eingebunden wurde. Also auch für diese Feier hatten wir eine internationale Zusammensetzung, die natürlich in einem solch abgelegenen Tempel sehr unüblich ist.

Unsere Runde beim Warten vor dem Tempel
Das Ritual war sehr ähnlich gestaltet wie das 100 Tage Ritual. Im Zentrum stand ein Bild Opa’s und am Anfang werden Kerzen und Räucherstäbchen angezündet. Danach wird eine Fürbitte gesprochen, die sich auf den verstorbenen Menschen bezieht, gefolgt von meditativen Gesängen.

A beim Anzünden

Mitten im Ritual
Den Mönchen werden darnach die Geschenke überreicht und eine Zeremonie abgehalten, bei der ein Papier mit dem Namen des Verstorbenen verbrannt wurde und ich dieses Feuer dann langsam mit Wasser darüber giessen löschen musste. Dies mit Unterstützung der ganzen Gemeinschaft.

Der leitende Mönch bei der Zeremonie
Danach folgten erneut meditative Gesänge, die wirklich schön anzuhören sind und einem ganz ruhig werden lassen und Zeit geben, innerlich noch einmal Abschied vom Verstorbenen zu nehmen. Zum Schluss überreichten wir dann den Mönchen das Essen.

Bei der Übergabe des Essens durch Chung

Die Mönche beim anschliessenden Essen

Die Nonne speiste zur gleichen Zeit mit den Mönchen, aber an einem eigenen Ort – die von den Mönchen nicht gegessenen Speisen werden dann an die anwesenden Gäste verteilt
Dieses Mal blieben wir nicht zum Essen, denn es hatte viele Leute, die mit Gartenarbeiten beschäftigt waren und auch versorgt werden mussten. Diese, so erzählte man uns, kamen aus dem Gefängnis in Neua Klong zur Unterstützung des Tempels.
Etwas schal eingefärbt wurde das aber mit der Geschichte, dass am Samstag zuvor ein Tresor mit rund einer Million Baht (etwa 30‘000 CHF) aus dem Tempel gestohlen wurde. Ohne Skrupel, am helllichten Tag, fuhren die Diebe mit einem Pick-up zu und luden den schweren Safe auf. Dies sei leider nicht neu, vor allem im Norden werden anscheinend des öfteren Tempel beraubt, da diese keine grossen Sicherheits-Systeme haben und es einfach ist, diese auszurauben.

Unsere Runde im Restaurant danach

Beim Eingang zum Restaurant eine Geisterhaus – Anlage riesigen Ausmasses
Nun, denn rund eine Stunde nach Beginn der Zeremonie, bzw. eineinhalb Stunden nach unserem Eintreffen zogen wir alle gemeinsam weiter (ausser A und Flora, die einen Termin hatten) und besuchten zur Feier des Tages ein sehr gutes Restaurant im nahen Neau Klong.
Das Restaurant war ganz auf Stelzen in einem grösseren Süsswasser-Weiher gebaut, der von vielen Fischen belebt ist. Dieses Restaurant scheint, ähnlich unseren Landgasthöfen, ein Treffpunkt für Familienfeiern und spezielle Anlässe zu sein. Und anscheinend ist es anhand der riesigen Grösse zu urteilen, auch sehr erfolgreich. Es hatte unzählige Nischen auf eigenen Plattformen über dem Weiher, die für verschieden grosse Familien konzipiert sind.

Der Weiher, auf dem sich das Restaurant befand

Monika und ich beim Fische füttern
Wie in einem solchen Thai-Restaurant üblich, bestellten wir gemeinsam, so dass alle von allem probieren konnten. Neben Fisch, Krabben und Crevetten, Thai-Omelette begleitet von weissem Reis, Gemüse-Reis und Nudeln gab es einen speziellen Eintopf und – es tönt so lecker 😉 Eier von roten Ameisen. Dem Aussehen nach irgendwo ähnlich dem Kaviar schmeckten diese dann aber tatsächlich zu unserer Überraschung sehr gut (einiges besser als Kaviar).

Darf man präsentieren: Ein Teller mit Eiern roter Ameisen…

Chung, ein Losverkäufer im Restaurant und Aw
Um 14 Uhr kehrten wir dann gemeinsam wieder zurück und hatten danach zu zweit noch viel Zeit uns etwas über das Leben und den Tod unseres Grossvaters auszutauschen. Denn uns kam es nicht vor, als sei schon ein Jahr vergangen, so nah wirkte dieser Abschied noch.
Doch betrachten wir unser Projekt Baan Tschai Dii, dass wir inspiriert vom Tode unseres Grossvaters, sozusagen als Vermächtnis, aufbauen und zu dem wir Euch bald über Neuigkeiten informieren werden, so scheint es tatsächlich ein Jahr zu sein. In diese Zeit fällt ja auch die erwähnte 100-Tage Feier, die Abdankung in der Schweiz und das Schulprojekt aus der Kollekte. Viel passiert in der Zwischenzeit, vor allem natürlich auch emotional und auch durch die plötzliche Ruhe im Haus, an die wir uns in der Zwischenzeit gewöhnt haben.

Monika und ich beim Essen
Ein Vermächtnis von Opa ist auf jeden Fall, dass wir nun hier in Thailand leben. Denn sonst wäre Opa wohl in einer Altersgeriatrie gelandet und wäre wohl nicht so liebevoll in seinen letzten Monaten umsorgt worden. Auch für uns war das Ankommen hier mit Opa eine sehr positive Erfahrung, denn wir geniessen heute noch den Respekt der Einheimischen, dass wir uns (für Europa leider untypischerweise – was hier bekannt ist) um unseren altersschwachen Grossvater kümmerten. Von Demenz hätte aber hier niemand gesprochen, denn es gehört fürr die Menschen hier einfach natürlicherweise zum Alter, dass man langsam vergisst und schwächer wird.
Monika ging dann noch am frühen Abend zu Tiu und Jade, um ihnen für Ihre Dienste für Opa zu danken. Denn zum buddhistischen Anlass haben wir Tiu’s Familie nicht eingeladen, um sie nicht in Verlegenheit zu bringen und damit sie nicht erneut ihren Imam fragen müssen.
Insgesamt war es ein schöner, würdiger Tag, den wir so schnell nicht vergessen werden. Zum Abschluss für die, die noch etwas mehr zum Thema Buddhismus und Tod wissen möchten noch ein paar Gedanken und Zitate dazu. Für alle anderen sind noch ein paar Bilder dieses Tages im Text gestreut.

Buddha-Stauten ohne Ende
Die folgenden Abschnitte sind teils aus den Dokumenten „Todesvorstellungen und Sterberiten in den Religionen“ sowie „Zeremonien und Rituale für Buddhisten in Deutschland“ entnommen, teils bestehen sie aus einem eigenen Zusammenschnitt der Internetrecherchen, sowie meiner persönlichen Erfahrung in einem buddhistischen Tempel vor 25 Jahren.
Für Buddhisten ist der Tod nur eine Übergangsform in den sogenannten Bardo-Zustand, der Zustand zwischen zwei Inkarnationen (dem jetzigen und dem folgenden Leben) oder zwischen dem jetzigen Leben und dem Nirwana (mehr dazu weiter unten). In diesem Sinne wird dem Tod auch nicht so viel Aufmerksamkeit zuteil wie in unseren westlichen Ländern, in deren Religionen der Tod einmalig und unwiederbringbar ist. Zudem hatte der Buddhismus so viel Mühe mit Ritualen, dass deswegen sich einige sogar anderen Religionen zuwandten.
„Der frühe Buddhismus stand Ritualen grundsätzlich negativ gegenüber. Aus Theravāda-Sicht ist jedenfalls festzustellen, dass dem Buddhismus die Betonung des Rituellen fremd ist, der Buddha hatte das Hängen an Regeln und Riten als eine Fessel (Nīvaraṇa) an das saṃsārische Dasein bezeichnet.(…)Eine wichtige Ausnahme von dieser allgemeinen Regel war jedoch immer der Tod: Buddhistische Mönche hielten und halten bis heute überall Bestattungszeremonien ab.“

Gold, wohin das Auge schaut
Buddha hatte einst gesagt: “Vom Geiste geh‘n die Dinge aus, sind geistgeboren, geistgewirkt“, was in etwa so interpretiert werden kann: „Die geistigen Energiefelder der formenden Gesetze haben zur Entstehung des Lebens in seinen milliardenfältigen Erscheinungsformen geführt. Diese geistigen Energiefelder bleiben auch nach dem Ablegen des Körperlich-Materiellen als suchende Tendenzen im Lebensstrom weiter bestehen.“
Buddha sagte auch: „Wir sollen nicht klagen und jammern! Fortgehen ins Unbekannte und Namenlose heißt doch auch, die Last des Daseins und die Leiden des Daseins abgeworfen zu haben.“

Drei Stauten von Heiligen
Doch ist interessant, dass folgende Trauer-Spruch aus der christlichen Religion (Autor leider nicht bekannt) doch sehr ähnlich tönt:
„Ein Traum, ein Traum nur
Ist unser Leben auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wogen
Schweben und scheiden wir.
Und messen unsere kurzen
Lebensschritte nach Zeit und Raum.
Und sind, wir wissen‘s kaum — Inmitten aller Ewigkeit.“
Auch der grosse deutscher Geist, Johann Wolfgang von Goethe schrieb:
„Lange habe ich mich gesträubt, endlich gab ich nach;
Wenn der alte Mensch zerstäubt, dann wird der n e u e wach.
Und solang Du d a s nicht hast, dieses ew‘ge stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast auf dieser dunklen Erde.
Wenn wir dem Tode tief ins Auge schau´n
dann wird sein Sinn uns sichtbar werden.
Kann e r, wenn wir auch i h m vertrau‘n
und auf den Geist des Lebens bau‘n,
je unser Wesen denn gefährden?
So lasst uns denn, solang noch Zeit, die Seele still für ihn bereiten.
Nimmt uns der Tod dann unser Kleid, den ird‘nen Leib, dann werden weit,
ja sternenweit, wir unsre Arme breiten.
Dann ahnen wir: Tod ist Beginn, ein neues Nach-dem-Lichte-Streben.
Welch unergründlich tiefrer Sinn:
Die Todesnot — ein Kraftgewinn.
Der Tod als Tor zum nächsten Leben!“

Ein weiteres Bildnis von Buddha
Es gibt noch weitere Parallelen zwischen Ost und West. So dauert der Bardo-Zustand (die Zeit, bis jemand wieder geboren wird oder ins Nirwana geht) im Mahayana-Buddhismus 49 Tage. Die Pfingsten beginnen interessanterweise auch genau am 50. Tag nach Karfreitag.
Das Tibetische Totenbuch beschreibt den eigentlichen Vorgang des Sterbens, sodann die im Bardo erscheinenden Lichter, Buddhas und Devas, und schließlich auch noch die Technik des Suchens nach einem geeigneten Ort der Wiedergeburt.
Was nach diesem Bardo-Zustand passiert, wenn die Fesseln des irdischen Daseins gelöst wurden, ist je nach Buddhismus-Art verschieden. Wir leben hier in einem Gebiet des Theravada-Buddhismus, für die das Nirwana gleich “dem Verlöschen der irdischen Existenz“ und ein eigentliches Aufgehen im viel falsch verstandenen „Nichts“ ist. Denn dies ist das angestrebte Ziel der ganzen Kette von Reinkarnationen (der Folge von Leben in unterschiedlichen Formen auf der Erde), das Auslöschen des Selbst, dass immer wieder Leiden verursacht.

Beim Weiher im Garten des Tempels
Der Mahayana-Buddhismus, den man in Tibet, China, Korea, Taiwan und Vietnam findet, glaubt hingegen ans Hineingeboren-Werden ins reine Land Amidas einer ungegenständlichen, transzendenten Dimension. Dort besteht dann die ideale Möglichkeit, die religiöse Praxis zu meistern und erst dann endgültig ins Nirwana einzugehen.